Welche Schublade bist du? Erfahre es im Psychotest!

Magst du Genre?

A □ Naja, schon, aber müssen ja nicht alle wissen.

B □ Wenn's gut gemacht ist.

C □ Äh, zählen Filme auch?

D □ Ich les und schreib nix anderes!

E □ Sorry Leute, aber ich kann das irgendwie nicht ernst nehmen.


Was ist mit Genre-Literatur eigentlich gemeint?

A □ Das ist französisch für ‚Gattung‘?!

B □ Ich interessiere mich eher für Lyrik, da stellen sich, glaube ich, andere Fragen.

C □ Schlichte Unterhaltungsliteratur.

D □ Der Underdog in der Literaturwelt, absolut unprätentiös, zugänglich für alle und im besten Falle metaphorisch verqueerte Gesellschaftskritik.

E □ Uff, literarisch anspruchslose Heftchen, so klischeeaffin wie der Schriftsteller mit seiner Feder in der Hand.


Welche der fünf Aussagen über Genre könnte auch von dir sein? Kreuze an:

A □ Ich mag's am liebsten kurz und handfest.

»Ein spezielles Genre bilden die Streit- oder Flugschriften: kurze bis sehr kurze Werke engagierter AutorInnen, die die Welt nicht nur interpretieren, sondern vor allem verändern wollen.« Jens Renner in Zeitgenössische Empörungsprosa, ak Nr. 572

B □ Das ist eine Frage der Poetik.

»Der primäre Grund dafür, lieber Fantastik als naturalistisch-realistische Literatur schreiben zu wollen, ist bei mir kein politischer, sondern einer, der aus der persönlichen Poetik und Ästhetik abgeleitet ist, die wiederum aus der erwähnten Beinfreiheit eine Norm für Kunst allgemein gewinnen will: Ich finde, die spezifische Differenz der Kunst zu anderen Äußerungsformen ist, dass sie sich weniger dafür interessieren muss, was ist, und dafür dann ausschweifend erkunden darf, was sein sollte, nicht sein darf oder einfach sein könnte.« Dietmar Dath in Das wird schon wieder, ak Nr. 548

C □ Im Schlamassel der Tatsachen: feministisch!

»Frauenzeitschriften sind aber einer der wenigen Orte, wo Frauen direkt angesprochen werden in ihrer Lebensrealität und in gewisser Weise auch ernst genommen werden. Natürlich gibt es diesen ganzen Werbe- und Kosmetik- und Schönheitsscheiß, der sehr normierend und disziplinierend ist. Wir müssen sehen, wie wir mit den Genre-Konventionen und Inhalten umgehen.« Sonja Eismann in Tolle Frauen, die tolle Sachen machen, ak Nr. 558

D □ Ich sag nur: Wer sagt was, und was sagt wer!

»Das Ausloten dieser Grenzen des Vorstellbaren wird sicher am deutlichsten in Werken, die im Englischen unter den schönen Begriff ‚speculative fiction‘ gefasst werden können. Unter diesen Sammelbegriff fallen unter anderem so unterschiedliche Genres wie SciFi, Fantasie, Horror und Alternativweltgeschichte. Gemein ist ihnen, dass sie Elemente aufgreifen, die entfernt von unserer Wirklichkeit scheinen: Magie, Vampire oder Aliens. Was diese Genres Fruchtbares produzieren können, lässt sich am besten mit einem Blick auf feministische und/oder antirassistische Autor_innen erahnen, die nicht nur die Grenzen und das Mögliche menschlicher Beziehungen und Gesellschaften ausloten, sondern nebenbei auch noch Genre-Tropen sezieren und aufbrechen. Einige Anthologien haben in den letzten Jahren den Einstieg für Genre-(Wieder)-Entdecker_innen vereinfacht. Zu nennen wären beispielsweise Afrosf: Science Fiction by African Writers, herausgegeben von Ivor W. Hartmann, aus dem Jahr 2013 und Sisters of the Revolution: A Feminist Speculative Fiction Anthology, herausgegeben von Ann und Jeff VanderMeer, sowie Octavia's Brood: Science Fiction Stories from Social Justice Movements, herausgegeben von Walidah Imarisha und adrienne maree brown, beide aus dem Jahr 2015.« Charlott Schönwetter in Mit geschärftem Blick, ak Nr. 614

E □ Eigentlich geht's um was anderes.

»Es steht nur fest, dass es […] kaum eine Rolle spielt, welcher Genres die Autor_innen sich bedienen. Der ‚Realismus‘ ihrer Literatur wird über Intensität und Dringlichkeit bestimmt, mit denen sie sich zur Wirklichkeit positionieren und wird in der Maßeinheit Wahrhaftigkeit gemessen.« Wolfgang Frömberg in Die Wirklichkeit ist kein Genre, ak Nr. 604


Was ist deine Lieblingszutat für einen richtig schönen Genre-Text:

A □ Kostüme und Dialekte. Je schräger, umso besser!

B □ Das unverschämte Pathos, die ernsthafte Zuneigung zum naiven Trash – dann kommt zumindest mal utopischer Schwung auf. Nieder mit der grämlichen Hochliteratur!

C □ Das befriedigende Gefühl des immergleichen Ablaufs mit nur verschiedenen Namen, Orten und Anlässen. Damit kann ich einfach am besten einschlafen.

D □ Regeln, die nur Eingeweihte kennen und das subversive Dehnen dieser Regeln.

E □ Mh, der sympathische Ermittler, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt?!


Genrefication! Such dir die Symbole für dein Lieblingsgenre aus:

A □ Grab und Blut und Mond

B □ andere Planeten, Raumschiffe und Zeitreisen

C □ Lippenstift, Stethoskop und ein tragisches Geheimnis

D □ Zauberstab, Karten und magische Wesen

E □ Nein, danke.

Deutsches Schriftstellerforum, ein Chatverlauf:

⇨ Bressler

Avatar: Schreiberling, Wohnort: über den Bergen

Nach 2531 Absagen von Verlagen für mein neustes Romanprojekt, weist mich ein Lektor eines grossen Verlages auf etwas hin. Er erklärt, meinen ‚Roman‘ grundsätzlich gut zu finden, prophezeie mir aber, dass kein (Gross-)Verlag anbeissen werde, weil mein ‚Roman‘ für die Vermarktung ein Problem darstelle.
Meine ‚Romane‘ (inzwischen sind es vier geworden, alle bei ‚Books on Demand‘ veröffentlicht) bestehen zum einen Teil aus Dokumenten (Briefen, Tagebucheinträgen, Gesetzen, Behördenentscheiden, Gedichten etc.), die eine Geschichte erzählen, und zum anderen Teil aus satirischen Texten (Erzählungen, Hörspielen, Theaterstücken). Daraus ergibt sich eine Mischung, die nicht in ein Genre/eine Sparte einzuordnen ist. Was tun, um seine Zielleserschaft zu finden?
Kann man solche Bücher als Doku-Fiktion-Mix bezeichnen? Ist jemandem eine Bezeichnung bekannt für solche Bücher?

⇨ die Kräte

Avatar: Exposéadler, Wohnort: im Schneckenhaus

Hm, ich sag's mal so: würde ich in einem Buchladen aus dem Regal einen Roman herausziehen, der mir beim Durchblättern anzeigt, dass da auch andere Textanteile als die reine Prosa drinstecken – ich fände das ungemein spannend.
Wenn er auf Tatsachen beruht, die so dokumentiert und kommentiert werden, würde ich ihn als Tatsachenroman bezeichnen.
Oder vielleicht als einen biographischen Roman – wenn er ein Leben, oder Lebensabschnitte, oder Etappen nachzeichnet.
Unter Doku-Fiktion-Mix könnte ich mir weniger vorstellen.
Vermutlich handelt es sich aber um eine noch freiere literarische Form?
In der bildnerischen Kunst würde mich das zum Beispiel an eine Collage erinnern – gibt es so was nicht in der Literatur? Eine Roman-Collage?
Ich finde es im übrigen tröstlich, dass ich nicht alleine ein solches Genreproblem habe und sehr schade, dass Verlage noch leichter den Kopf schütteln, wenn ein solches Projekt in keine Vermarktungs-Sparte zu passen scheint.
Vielleicht gräbst Du mal nach einem kleineren Verlag, der sich auch Werken jenseits des Mainstreams widmet? Hin und wieder stolpert man über einen solchen im Netz, ich blättere dann nur immer weiter, weil mein Kein-Krimi-Kriminalroman für einen solchen Verlag wiederum zu konventionell erscheint!

⇨ Literättin

Avatar: Show-don’t-Tellefant, Wohnort: Im Untergrund

Vielleicht der englische Begriff der Faction? Wobei ich deines als Nicht-Genre kategorisieren würde, mit Hinweis, welches Thema du abarbeitest. Verlage verlegen durchaus Nicht-Genre, E-Lit oder experimentelle Literatur, aber sie muss wirklich gut sein, denn sie verkauft sich leider schlechter als die üblichen Genres. Als Ausgleich für die fehlenden Bestsellereinkommen sind die Literaturpreise da, scheint mir.

⇨ Bressler

Hallo Kräte, Hallo Literättin,
Herzlichen Dank für Eure offenen und interessanten Mitteilungen!
Heute früh habe ich mir beim Tagebuchschreiben überlegt, dass auch die Bezeichnung ‚Roman‘ nicht total daneben ist, erzählen doch sowohl der dokumentarische Teil als auch der fiktionale: Geschichten. So dass frei nach Schiller, analog zu seiner Universalgeschichte, mit Alltagsgeschichten die »unvergängliche Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet« entsteht.
So liege ich wohl, wenn ein Genre genannt werden muss, mit ‚Roman‘ nicht schlecht.
Nochmals herzlichen Dank! Geniesst den sonnigen Sonntag!
LG, der Bressler


Was ist deine Meinung zu diesem Gespräch?

A □ Ich hätte auch gerne so eine Community.

B □ Ich mag die Literättin, knappe Antwort, toller Avatar.

C □ Also ich halte das nicht aus! Das sieht man doch aus zehn Kilometer Entfernung: Ein alter, weißer Typ schreibt erfolglos über sein erfolgloses Leben und lässt sich dann auch noch von zwei Damen kostenlos beraten, nur um die Frage schlussendlich selbst zu beantworten.

D □ Ey, ist doch klar: Montageroman!

E □ Na, immerhin kennt sich der Rest anscheinend auch nicht aus.


Und dies sind weltweit die Autorinnen mit den höchsten Verkaufszahlen:

(*die nichtgenannten Platzierungen sind von Autoren besetzt)

Platz 2: Agatha Christie

Platz 3: Barbara Cartland

Platz 4: Danielle Steel

Platz 7: Enid Blyton

Platz 9: J. K. Rowling

Platz 14: Corín Tellado

Platz 15: Jackie Collins

Wie viele der sieben Namen hast du schon mal gehört?

A □ Keinen.

B □ 2

C □ 5

D □ Jeden, ist aber auch kein Wunder, schließlich machen die alle Genre.

E □ Ich versteh euer Anliegen, aber ich mag die Frage trotzdem nicht.



Auflösung

Was hast du am öftesten angekreuzt?

A Du findest Genre toll, aber bist noch neu hier? Das ist doch super! Lies die anderen Essays in diesem Heft und diskutiere mit deinen Freund:innen darüber. Du kannst auch gern deinen eigenen Genretext schreiben, das Werkzeug dafür hast du ja jetzt. Und wenn du dich noch tiefer in die Materie eingraben willst, dann erkundige dich doch mal über Steampunk, Camp und Nackenbeißer. Oder ganz groß im Kommen: Cli-fi!

B Glückwunsch! Das hab ich auch angekreuzt

C Für dich sind feministische Anliegen niemals Nebensache – und trotzdem holst du dir auch mal einen Groschenroman am Kiosk? Du denkst und arbeitest intersektional und kannst zugleich bei Dr. Norden am Ende ein erleichtertes Tränchen drücken? Ein Hoch auf die gelebten Widersprüche!

D Du weißt alles, du kannst alles. Genre ist deine Welt. Wir warten gespannt auf dein nächstes Buch.

E Genreliteratur und Psychotests sind nicht so dein Ding, mh? Dialektischer Materialismus und Lust am plumpen Kitsch gehen deiner Meinung nach nicht zusammen? Dann wirf doch mal dein Geschirr über Bord, lies die anderen Essays in diesem Heft, und danach sprechen wir nochmal.


Quellen:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-groschenroman-und-seine-leser-grosses-glueck-fuer-100.html (Zuletzt abgerufen: 01.04.2022)

https://www.deutschlandfunk.de/auf-der-sturmhoehe-der-zeit-wie-climate-fiction-vom-aufgeheizten-planeten-erz-dlf-325b28fc-100.html (Zuletzt abgerufen: 01.04.2022)

Den Chatverlauf findest du unter: https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=50126 (Zuletzt abgerufen: 01.04.2022, wurde für den Druck leicht verändert)

Die Liste der sich so gut verkaufenden Autor:innen kommt von: https://popkultur.de/die-erfolgreichsten-buchautoren-aller-zeiten/ (Zuletzt abgerufen: 01.04.2022)


Lektorat: Carolin Krahl und Eva Schörkhuber

Essay#7PS