PS#6
| Das Prosadebüt
DEBÜT OR NOT DEBÜT / Editorial
Ballade fürs verflixte sechste Jahr
Ouvertüre mit Annette von Droste-Hülshoff
O schaurig ist’s in den Betrieb zu gehn,
Wenn es wimmelt von Autoren und _innen
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und Neid häkelt wie tintrige Spinnen,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist’s durch den Betrieb zu gehn,
Wenn dein Debüt knistert im Hauche!
Der Wolf
Es war noch nicht mal Mitte März, die erste Grippe kam
Da glaubte niemand, dass es Covid sei
Und so verging die Zeit im Sog – der Krankheit
Alles andere scheint im Rückblick so unendlich weit
Ich weiß, da waren Sitzungen, Gespräche
Ich weiß, dass ich mehr als nur einen Essay schrieb
Trotzdem erlöschen die Erinnerungen in einem Flimmern
Was bleibt sind Traurigkeit und Wut und Zweifel
Ob all das wirklich so gewesen sei
Und nicht ich einfach nur zu Hause allein
Eine Umfrage
Sechs von sechs haben sich für das Thema entschieden.
Zwei von sechs haben in diesem Jahr ihr Debüt veröffentlicht.
Zwei von sechs waren mehrere Monate krank.
Vier von sechs haben an einem Romanmanuskript gearbeitet.
Vier von sechs haben Corona-Unterstützung erhalten.
Eins von sechs hat versucht, ne Pause von PS zu machen.
Eine von sechs wird im nächsten Jahr eine Pause machen.
Zwei von sechs verdienen bei einem Lohnjob ganz gut.
Zwei von sechs erhalten Unterstützung von ihrer Mutter.
Drei von sechs wollen perspektivisch für ihre Arbeit an der PS bezahlt werden.
Sechs von sechs wollen weiter machen?
Der Hase
Wir spielten Pantomime, Anfang März, ganz heiter
Wussten nicht: Das Jahr geht pantomimisch weiter:
Gemeinsam lektorieren, sich aber nicht sehen (dauert)
Arbeiten ohne Ausgleich tiefalberner Stunden (lauert)
Und ohne das Fest im Sommer, die Wahlfamilie im Betrieb
Also tun als ob – Normalität doch blieb?
Oder ausscheren, es ganz anders darstellen? (Ist sinnvoll im Spiel)
Eine wollte abreisen und konnt’s nicht und fährt nun doch (das Pflaster ziept viel).
Noch mehr als die vorigen (kein Reim ist uns peinlich)
Ist dieses Heft eines: ist unwahrscheinlich.
Erklär mir, Blockade
Von Ballade zu Balance kommst du,
Indem du den Ballast abwirfst, also den Ball abwehrst
Mit dem Ast, auf dem du –
Von Ballade zu Balance kommst du,
Indem du den Ballast abwirfst, also den Ball abwehrst
Mit dem Ast, auf dem du sitzt.
Möwe
Versuch einer Pause. Die Freude am Schreiben wiederfinden
Wo kam die Pause hin, wenn während Sars-CoV-2 alles anders lief.
Zählt das? Aufschieben, eine Software für die Homepage zu binden,
Die Kopfruhe fehlt in dem Trubel.
[PAUSE]
Wie wird das? Darauf bauen, dass wir einander kennen und vertrauen.
Alle meinen „etwas fehlt“. Fahrradkette, Farbpalette.
Ein Thema, auf das ich mich so gefreut hätte!
Aber die Pause war wichtig, war Bewegung, wir wollen ja weiter,
Durchhalten – Geht das? Überforderung und Räuber*innenleiter.
Filme, die wir im Kino sahen:
– The Wife
– Colette
– Siebzehn
– The Square
– Star Wars: Die letzten Jedi
– Ladybird
– Captain Marvel
– Little Women
– Astrid
– Parasite
Die Füchsin
Dieses Mal mach ich es [ ] richtig. Weil ich schon einmal dabei war
und damals verstand, worum es ging, aber es im Herz nicht ankam.
Ein dumpfes Gefühl / Gewühl manchmal, dass die Leitungen und Kanäle
nicht richtig übersetzen / wertschätzen, [ ] was ich sagen will.
Was die anderen sagen wollen. Die [ ] Distanz sind wir uns
gewohnt / verschont. Aber das Zusammentreffen, Umarmen,
Auflösen / Verdösen der Missverständnisse / Betrübnisse / Gelöbnisse –
Ach, immer wieder ein Hallo von neuen PS-Autor*innen im Postfach.
Je öfter ich ihre Texte / Äxte lese, desto mehr mag / trag ich sie,
[ ] dabei mochte ich sie schon von Anfang an. [ ]
Intermezzo mit Annette von Droste-Hülshoff
Fest hält ihr Debüt die zitternde FLINT*
Und rennt, als ob man sie jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben die Frage?
Das ist der gespenstische Rezensent,
Der dem Meister [sic] die besten Sätze verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket der Vorschuss sich zage.
Das Äffchen
Zeig mir einen Spiegel und ich geb dir einen Müsliriegel!
Fühl mich heute zwischen Zoo und Schreibbüro …
Ach, ich würde einer gern den Kopf entlausen, so nah,
Aber sie sagen, ich hab selbst zu viele Flausen, schon klar –
Das Schönste fehlte und alles ging viel schneller. Wir sind nicht
Mit dem Auto nach Wien gefahren und nicht im Fluss gepaddelt,
Wir waren nicht zusammen auf einer Demo oder im, äh, Kinematograph
Zeitweilig verlor ich euch aus den Augen, aber wir haben brav
Weiter funktioniert – ich glaube, die Spielregeln wurden verändert,
Hast du gesagt gegendert? Irritiert agitiert. Und die Blicke gerendert.
Von Ausgabe #5 zu Ausgabe #6 sind wir gekommen mit:
a) Augen zu und durch
b) Abwarten und Tee trinken
c) Sich etwas aus den Fingern saugen
d) Das Handtuch werfen
e) Es durch die Blume sagen
f) Für jemanden die Hand ins Feuer legen
g) Man hat schon Pferde kotzen sehen
Der Bär
Kaum aus dem Winterschlaf erwacht, tapsige Schritte in eine neue Realität:
Ein- und Ausschlüsse auf noch mehr Ebenen praktiziert als … naja, vor Corona
Auch schon. Sogenannte Schulterschlüsse zum Aufheulen, am liebsten ein Tatzenhieb
Hinein zur Entwirrung. Mehr Abstand bitte! – zu Schnellschussparolen ebenso wie zur
Honigtopfhamsterei, ach nein, das waren ja die in Zellophan verpackten Rollen,
Koffertraumrest. Die Begegnungen mit den Scheinriesen gingen nicht leicht von der Hand,
Waren aber reißfest (fast alle) und nahmen Druck heraus oder die Wand –
Abstand regelt, Tanzen fehlt. Zwinkern, ein Lidschlag oder zwei, um das Augenmaß
Zu halten. Sich nicht immer nur um sich drehen: Sogar Drahtseilakte werden Spaß,
Also leichtfüßiger bewältigt, wenn wir uns halten an den Tatzen, Pfoten, Rändern.
Apostrophe
Oh Terpsichore, steh uns bei, wir sind
Ins Schleudern geraten, jedes Zuhause für sich
Verbunden durch Hologramme aus Schadsoftware
(Möwe kann hacken) (Wolf kann knacken)
So schlittern wir über den Wohnzimmerteppich
Und träumen von dem, was kommt
Nach dem ersten Mal
extratemporal