Tune oder do you want to ride along
Ein nicht als Witz gemeintes Verhütungsmittel: Hodenwärmeschlüpfer. Sicherheit: viel. Gefahr: Unfruchtbarkeit durch Überhitzen. Eine liest vor. Drei lachen. Zwei haben auch mehr als eine Rechnung offen. Jede für sich kennt viele, die viele kennen, die Erfahrungen haben. Die vorlesende Eine hat ein Auto. Ein schnelles. Getuned und geil. Wenn sie losröhrt, klatschen die Typen. Wenn sie parkt, bildet sich ein Schwarm. Aber Brava lässt sich nicht umschwärmen. Hat diese Wut. Die trägt sie im ganzen Körper und Hirn. Jetzt kauft sie einen Kasten Bier. Steigt durch den Schwarm hindurch ins Auto. Hupt und lässt Scheibenwischwasser spritzen. Die Typen springen und Brava schickt Luftküsse. Und einer fängt seinen. Den lässt sie zusteigen. „Entschuldige. Die Heizung, ich hoffe es stört nicht.“ Der Typ, ein Gunter, lächelt. „Hot mag ich!“ Grinst. „Wohin willst du?“, fragt Brava und Gunter: „Zu mir. Ist gleich um die Ecke.“ Brava biegt zweimal falsch ab. Schiebt es auf die Geschwindigkeit. Nach Minuten stöhnt Gunter, fährt sich unter den Po: „Boah, schon heiß. Komm, wir laufen den Rest.“ Brava stimmt zu. Greift über seine verschwitzte Wanstwulst hinweg zum Türgriff. „Kannst du gern.“ Schnallt ihn ab. Schiebt ihn an der Hüfte hinaus. Klitschnass die Hose, wo sie auf den Beifahrersitz traf, und auch der Rücken. „Wenigstens Nummern tauschen?“, fragt Gunter durch die offene Tür. Brava sagt: „Gern. Wenn du mal wieder eine Fahrt brauchst.“ Ruft Zahlen. Gunter kapituliert.
Abends ist Auswertung zu dritt. Brava sagt: „Ich habe heute einen verhütet.“ Girly und Joy wollen das auch. Brava zückt ihren Kalender und verteilt Schichten.
Am nächsten Tag will Girly einem einheizen. Braust durch die Stadt. Singt laut heraus. Hält an Tankstellen und dem Getränkemarkt. Aber keiner steigt zu. Erst zu nächtlicher Neige, als Oberkörper gen Bordstein kippen, gabelt sie einen auf. Einen mit Fahne und Flirt. Girly spricht die Hitze-Warnung. Er lacht laut und hart, hört sich selbst gern reden. Und Girly lässt ihn gewähren. Er flirtet plump, sie verhalten. Einäugig schauend, das andere Auge besoffen, schnattert er und schwitzt. Fährt Girlys Körper suchend ab, streichelt ihre Wange. „Soll ich mal nach der Heizung schauen?“, fragt er und streckt die Hand zur Mittelkonsole. Girly klatscht sie weg. Hält sie dann einen Moment zu lang umfasst. „Ich kenne eine Mechanikerin. Die schaut sich das an“, sagt sie und er sabbelt weiter, weiß Bescheid über alles, will jetzt aber wirklich heim. Mit ihr. Girly hält unter einer Laterne, lässt ihn heraus. Als er sich umdreht, knallt schon die Tür. Als er nach dem Griff greift, ist schon verriegelt. Girly gibt Gas. Von Erfolg spürt sie nichts. Schreibt den anderen #geglückt, aber nicht glücklich#. Schläft schnell.
Nachmittags klingelt es Sturm. Joy sieht sehr hübsch aus und das sagt Girly ihr. Sie halten sich lang. „So schlimm?“, fragt Joy und Girly nickt, sagt gleichzeitig: „Nein!“
„Wie war‘s denn?“
„Erst lange nichts, dann ein Besoffener. Bieratem, Schweiß und zu viel Deo.“
Joy will Girly Gutes tun, tätschelt das Stuhlpolster: „Setz dich, Schatz, und sprich!“
Und Girly folgt, sagt: „Ich kann das nicht.“
„Wir müssen ja nicht.“
„Aber die Idee gefiel mir. Das hatte Drive.“
„Wollen wir zusammen?“
„Morgen vielleicht.“
„Heute 20 Uhr im Käthe?“
Der Kaffeepuls regiert die Herzen. Sie verabschieden sich auf später.
Girly wartet am Tisch. Joy schwebt anmutig heran. Brava trudelt ein, küsst die zwei hingehaltenen Wangen laut. Dann schütten die drei Biere, lachen frei, tanzen zwischen den Paaren. Joy hat‘s raus und Bock. Guckt sich einen aus. Der will auch. Übernimmt die Führung beim Tanz. Wirbelt übers Parkett, schenkt Küsschen, aber nur luftig. Joy hält ihn auf Abstand. Aber er bleibt dran. Mit hohem Pegel folgt er zum Auto. „Vorsicht, die Heizung“, warnt Joy. „Wenn du so heiß wie die Sitzheizung bist, bleib ich“, sagt er und zwinkert.
„Ein bisschen, gern.“
„Na, dann los! Ich steh eh nicht auf Festes. Das wird immer kompliziert.“
„Erst wenn Kinder im Spiel sind.“
„Das weiß ich zu verhüten.“
„Ich auch!“ Joy klatscht sich auf den Schenkel und Hamsa dann auch. Bei I wanna be your porno star. I just want to fuck you in the backseat of my car, grölt Joy mit. Und Hamsa kriegt große Augen und trotz oder wegen Po-seitiger Hitze andere Reaktionen. „Halt an Baby“, sagt er und schmeißt sich über die Konsole hinweg auf den Rücksitz. Joy fährt rechts ran und steigt aus. Öffnet die Hintertür. Zieht an Schuh und Hosenbein, an Gürtel und Schlaufen. Hamsa verkrallt in die Polster, verknallt in Joy für den Moment, versteht Dinge falsch und packt sie auf Bauchhöhe. Joy befreit sich. Ihr Kleid ritscht und ratscht. Es folgt: Blackout und Losgekloppe. Keine Selbstverteidigungsvereinbarungen mit niemandem. Für 45 Sekunden tobt Free Fight: Sidekick Sidekick, Uppercut Uppercut, Frontkick. Als Hamsa in die Knie geht, knallt Joy ihm ein Küsschen auf die Stirn, hilft ihm hoch. Winkt dann und braust nach Haus. #gewärmt und geprügelt# schreibt sie und #gern treffen#. Morgens stehen zwei #JA# auf ihrer Telegram-Seite und abends treffen sie sich.
Brava öffnet die Garage. Drapiert einszweidreifix Klappstühle vorm Tor. Platziert Girly und Joy. Drückt jeder ein entkorktes Pils in die Hand. „Prost, Mädels! Und dann mal Klartext. Wie war‘s?“ Joy und Girly wechseln Blicke. Brava schaut sich dazwischen, fragt: „Soll ich anfangen?“
„Deine Erfolgsstory kennen wir schon“, sagt Girly und schluckt viel Bier hinterher. „Ach!“, sagt Brava, fragt: „Nachschub?“ und wieselt ins Garagendunkel. Joy und Girly überlegen.
Joy sagt: „Wir brauchen mehr Plan, mehr Routine.“
Brava sagt: „Also ich finde, ihr habt viel gegeben, alles geht nie.“
Girly sagt: „Aber auch das Viele ist herausfordernd genug.“
Brava sagt: „He, drei Nächte, drei Typen. Keine schlechte Bilanz. Prost!“
Joy sagt: „Prost!“ Girly auch.
Tags darauf fährt Brava ihre zweite Heizungstour, gabelt einen auf, der aus der Kneipe stolpert. Ein Albert mit seinen Jungs. Die haben ihn ordentlich abgefüllt. Und er hat sich abfüllen lassen. Ohne Anlass. Das können sie gut. Im Haufen verabschieden sie sich. Klopfen sich die Rücken aus. Die Schulterblätter. Stefan übertreibt. Aber Albert nimmt es hin. Denn er weiß: Widerworte gegen Muskelkraft und Stärke lösen Debatten aus. Legen Schimpfworte auf lallende Zunge, die sich vervielfachen in den anderen Mündern. Man kennt das. Wenn sich welche verbünden, ziehen andere nach. Einer bleibt übrig. Häufig Albert. Um das Schweigen auszuhalten, kneift er sich in den Unterarm. Atmet seufzend aus, als die anderen davonstolpern. Sein Blick schwankt zu den parkenden Autos. Der tiefergelegte BMW gefällt ihm. Brava drückt aufs Gas. Der Motor heult auf. Albert fühlt: verliebt. „Na, Kleine“, tritt er an die Scheibe heran. Bravas Zeigefinger wackelt wie ein Scheibenwischer. Albert fühlt sich gemeint, meint sich gelockt. Fläzt sich viel und breitbeinig auf den Beifahrersitz. Lässt eine Pranke auf Bravas Oberschenkel hernieder. Sie legt sie zurück. Er nickt. Versucht es später erneut. Als würden Meinungen durch Wiederholung geändert. Beim zweiten Mal umfasst sie kurz zu fest sein Handgelenk. Wieder versteht Albert. Nicht für länger. Als er sich zwischen die Beine greift, mehr ein Fühlen und Nachspüren, als Zupacken, fragt sie nach Wohlbefinden und Stimmung. „Ganz schön heiß“, sagt er. „Ich weiß“, sagt sie und leiert den geübten Satz von der defekten Sitzheizung, aber er könne ja gehen, und er so: „Nein, nein, es geht schon.“
Als er einen dritten Versuch unternimmt, verreißt Brava das Lenkrad. Rechts in den Waldweg. Sie holpern über Wurzeln und Albert lacht laut und auch freudig. Als Brava hält, öffnet Albert die Tür. Als sie sagt: „Zieh dich schon aus“, nickt er siegesgewiss. Am Autodach hält er sich wankend stabil. Schlüpft aus den Klamotten und sein Hoden dampft in der feuchtdunklen Nacht. Als er sich aus dem Unterhemd windet, tritt Brava hinzu. Greift in den Klamottenhaufen, wahllos und wild. Wirft alles zur Beifahrertür hinein. Zum Abschied klatscht Brava Albert fest auf den Rücken, auf gerötete Haut. Albert steht baff, bewegt nur im Gemüt. Brava wirft sich über den Beifahrer- auf den Fahrerinnensitz und braust davon.
Noch weiß sie nicht, wie sie es weitergehen lassen wird für Albert. Was sich ziemt. Am Straßenrand Ecke Waldweg hält sie, hält telefonisch Rücksprache mit Girly, denn die ist einfühlsam. Sie rät ihn zu holen, nackt aus nächtlichem Wald, und zu bedenken, dass die Wärme-Idee eine gute war, die Umsetzung aber mangelhaft.
Brava kehrt um. Holt ihn zum Auto. Bietet einen Rückbankplatz. Nicht den beheizten. Wirft die Kleidung einzeln zu ihm. Er zieht die gereichte Hose an. Darüber den Schlüpfer. Den Pullover seitenverkehrt. Schon alles egal. Brava denkt: kein Wildfänger mehr, und möchte es glauben. Sie setzt ihn aus. Schickt von zu Haus: #Wir müssen reden. Bier steht kalt# an die anderen.
Und weil Sonntag ist, treffen sie sich schon um 14 Uhr. Über gestern Abend sprechen sie kurz und dann rückt Brava heraus. „Ich will länger fahren. Das gefällt mir, das Unterwegssein. Mit anderen. Ich probier’s mit dem Truckerinnen-Dasein. Ich ruf die Tage bei einer Bude an. Alice, ihr wisst, die, die die Autos so liebt wie ihre Besitzer*innen, wird mich empfehlen. Das heiße Auto lass ich euch da.“
„Aber …“, sagt Joy und Girly dann auch. Mehr nicht, denn sie sehen das Glitzern in Bravas Blick und wissen, hier hat eine was vor und zieht durch. „Nimmst du uns mal mit?“ Brava wischt sich über die Augen, kühlt ihre Stirn am Bier, grinst schief. „Wenn Platz ist, klar! Ich hoff auf viele Tramperinnen.“ Und damit wird ein neues Kapitel geschrieben.
*Die Idee zur Erzählung ist kollektiv auf einer Wegfahrt entstanden. Dafür danke ich meinen KW Girls*.
Trackliste
Love A Too doof to fuck
Vanilla Muffins No punkrock in my car
Heizkörper Halb 2
Nouvelle Vague Too drunk to fuck
Bonecrusher Porno Star
Haudegin Sidekick&Uppercut
Ponys auf Pump Bockwurst
Fett&Zucker Trucker*innen
Düsenjäger Trampen nach Norden
Lektorat: Carolin Krahl und Jiaspa Fenzl