Gedichte
Mein Outfit für die Zeit im Wald
Ich besitze fast nur noch Jogginganzüge mit Kapuze
Auf der Bühne trage ich einen nachtblauen Samtblazer
über einem Jogginganzug mit Kapuze
Ich esse wöchentlich die gleichen fünf Gerichte
und entdecke darin Feinheiten die ich mir nicht vorstellen konnte
Seit ein paar Monaten haben sich meine Sinne verdoppelt
Seit ein paar Wochen wachsen mir Wellen wo früher Stängel waren
Die Farnblätter entrollen sich in menopausaler Geschwindigkeit
die Blätter entrollen sich eben eins nach dem anderen
Wenn ich im Wintergarten sitze streichele ich mir die Nase
mit den festen glänzenden Blättern einer Zimmerpflanze
Wenn eine Schülerin bei mir sitzt streichele ich sie auch
und schenke ihr einen Walkman damit sie endlich mal wieder tanzt
Mein Outfit für den Umzug zu ihr nach Mexiko
Welt!
Und hier.
Ich nehme ein Bad auf dem Balkon,
die gesamte Kreuzung unter mir.
An der Haltestelle sitzt einer und murmelt Welt.
Ich rufe aus der Horizontalen! Welt!
Ich gebe mein Bestes.
Bin mir allerdings unsicher, ob das kalte Bier so gut zu dem Badewasser passt
oder ob der kühle Juni-Abend reicht für den Kontrast –
diese weiche Luft um die Villen herum,
voll mit raschelnden Lindenblüten und hellen dichten Rosen nickend wie Schwestern.
Von der anderen Seite bringt die Dämmerung die Sojasoße des China-Restaurants
Bremsengummi und den salzigen Rülpser von ihm an der Haltestelle und sie:
die aufrecht am Wannenrand steht,
die auf dem Weg nach Mexiko ist.
Die aus einem Rucksack mit drei Merino-Unterhosen lebt,
die Listen schreibt und nur mit japanischen Stiften,
seit Jahren die eine gleiche Creme verwendet,
seit Jahren eine gemessene Stunde Yoga macht,
die den Tag in der Kommandozeile verbringt,
dort ist sie sicher oder frei,
das verwechselt sie manchmal,
wie sie sich manchmal irrt
in den Namen ihrer Brüder.
Mein goldenes Outfit
Nachmittags lüfte ich meinen Hund.
Und trinke ich oft Tee, oder.
Ich bin einverstanden, wenn ich beim Duschen meine haarigen hängenden
Weichteile sehe.
Wie stolz das Mädchen gegenüber auf ihren Kugelbauch ist.
Meine Rezepte sind fertig, sie sind ein Teil von mir, sechssträngige Hefezöpfe
und meterlange Biskuitrolle, ich lasse sie strömen direkt in den Ofen.
Ich ströme mich auf die Straße und keiner kann mich sehen.
Ich schmeiße meine Haare in den Wind.
Ich helfe niemandem mit Kinder- oder Einkaufswägen.
Ein Scheiß diese Trolleys.
Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich noch ganze Teppiche von
Brennnesseln pflückte und aß.
Es war wieder diese Jahreszeit, in der kleine weiße Blüten durch die Luft hageln
wie Körner und mein Auge treffen und seitdem habe ich eine leuchtende Stelle
im Augapfel, die vorher nicht da war, und in diesem Fleck spiegeln sie sich alle.
Der leicht hinkende Mann, der aus aus seinem Kofferraum eine Kaufland-
Tragetüte zerrt und eine Packung Cornflakes unter seinen Arm klemmt.
Das lockige Mädchen, das hockend den Reißverschluss der Jacke ihres
Freundes repariert, der sich an die Autoseite schmiegt.
Die wütenden Männer, die in dunklen Wägen gestikulieren.
Es gibt Hunde, die tragen zarte Silberkettchen.
Meiner nicht.
Der Mann mit dem Schäferhund und den drei gebrochenen Fingern hat Text
seitlings auf der Hose.
Es ist mühsam, jedes Bein einzeln zu lesen.
Mühsam wie jedes Blatt vom Lindenbaum pflücken und einzeln einpflanzen.
Was keinen Sinn macht.
Kormorane, die rütteln im Sitzen.
Was geht es mich an?
Am Abend nehme ich manchmal ein Bad, um besser einschlafen zu können,
im Badewasser erzeugt mein Herzschlag konzentrische Kreise,
ich bin wohl noch da.
Mein Outfit für einen Spaziergang
Ein Vogel
Ein Apfel
Ein kleiner Mond
Ich trage eine Mütze aus Holz
um sie anzuzünden am frühen Morgen
in dem Wald ein fröhlicher Brand
Ein Brotmesser
Ein Blatt
Ein sehr schwarzer Stock
Ich trage eine Jacke
damit ich etwas Ganzes ergebe
Ich trage keine Hose
damit ich mich unterscheide
Ich trage Falten
denn ich habe genug Haut dafür
Ein Spinnweben
Ein vergessenes Taschentuch
Ein Laminiergerät
Ich trage nur noch die Baby-Schildkröte
die ist schwach und läuft nicht gern