Gedichte
PORTRÄT DER KÜNSTLERIN ALS MONSTER
nicht schuppen hab ich und auch keine flammenhaut
kein stinkendes gebiss und keine fließenden abszesse
ich hab kein haar aus schlangen, keine kralle
die sich in die ohren einer talk-show runde bohrt
mich sah noch niemand
mit verbranntem rücken und auch nicht mit hula hoop
kein gift hängt mir am gürtel, keine hundebeine
wenn ich nachts zum spätkauf geh
wüsst ich alle wünsche schon im voraus
wär ich „mutter“, so wie alle, algorithmus
meine dna gewächshaus. werf ich steine ins getreibe
nähern sich blaue sirenen, nicht, um licht zu machen
oder autoraser anzulocken. sie nehmen mich mit
an den baggersee und bringen mir ihren gesang bei:
finde uns, auch in unterirdischen schächten
ich brauche keine schlangenhaut und auch keine zangen
keinen fischschwanz oder schwarze klauen
mir reicht ein wort von dir, ein augenschlag
wenn du mich anblickst und ein monster siehst
erstarre
DRASTISCHE MAßNAHMEN
in die einsamkeit gehen, so into the wild und alle vier wochen
blut aus dem muskelleib, hohlorgan voll schleim
ein leben als eremitin mit eigener höhle könnte ich
mich in die stille gottes versenken. moos
zwischen den beinen. und hirschläuse im haar
würde in der wüste heuschrecken streifen
in klaren flüssen die lachse, während sie laichen
bin drei wochen lang höchstens agnostisch wie thomas
und beim ersten tropfen aus der form der fünften wunde
sicher, dies ist die regelmäßigste theodizee
HYMNE
singe in lingua franca. french kiss, offen und ehrlich
ein loblied auf die matrjoschka, aus denen
säuglinge über säuglinge kopfüber in die welt
springen. singe auf die schraubenmutter
die ihre sprache umkreist, damit sie ihr im hals
stecken bleibt. oh, ödipussi. du hast eine lockere
lingua zwischen den fingern, die sich zum v
wie beine beim yoga in die luft strecken und
einen umgedrehten triumphbogen andeuten
da stockt die hymne, überschlägt sich
und als sie wieder aufsteht, ihre buchstaben
aufzusammeln, wird sie zum hymen. platzt vor lachen
über die alten gäuler der standbilder
HALBE NACHT
werde mich zwischen braut und braut legen
eine pflaume hab ich schon gegessen
am fußende des bettes
den kern zwischen die zehen geklemmt
und gewartet, dass er blüht
in eine zweite pflaume hab ich gebissen
das fleisch über geschlossenen augen
dann wird eine braut sie essen
wie brüste in der form von raketenköpfen
wir zünden das bett an
und liegen zu dritt in der halben nacht
eine kann immer schlafen
im wechsel drehen die glitschigen finger bergab
und heben die hintern gegeneinander
den flaum an den oberlippen
drei-, viermal schon
erreicht uns die nachricht wo seid ihr
sie kümmert uns wenig
Lektorat: Carolin Krahl & Olivia Golde