Lotta, la. Eine Sezierung.
Prämisse:
„Schweigen herrscht zwischen den Eheleuten.“
Sondierung:
Ein Satz, der schon lange vor mir auf der Welt war und wohl nur mehr als Zitat existiert.
Ein Satz, der also mit mir nichts zu tun hat. Oder?
Ein Satz, der sich einschreibt und selbst aufruft, sich in meinen Kopf schiebt. Einer, der da ist.
Er irritiert. Ich will ihn festmachen können.
Abhandlung:
Das Wort „herrschen“ setzt mit den ersten vier Buchstaben die männliche (Über-)Machtposition fort. Es stützt unterdrückende Hierarchiekonstrukte und hat einen westlich-kolonialen Bezug.
Schweigen herrscht zwischen den Eheleuten.
Ehe. Ein Konzept, das nur in einer Form positiv besetzt sein kann, die ihrerseits aus Zwängen resultiert: sogenannte Scheinehen, die Menschen vor Abschiebung bewahren können und so vielleicht ein Leben mehr retten.
Ehe bestätigt den Staat, bestätigt eine konstruierte Heteronorm und meist auch die Religionen samt ihren Kirchen.
Ehe festigt das geltende Ideal der romantischen Zweierbeziehung und exkludiert alternative Lebens- und Subjektentwürfe.
Ehe geht wie Herrschaft Hand in Hand mit der kapitalistischen Gesamtgesellschaft und erkennt die Autorität des Staatskonstrukts durch ihr Bestehen an.
Schweigen herrscht zwischen den Eheleuten.
Ein Satz, der da ist, festgehakt in meinem Kopf.
Relativierung:
Selbstverständlich kann auch miteinander geschwiegen werden. Gemeinsame Stille ist schön und tut gut. Generell aber meine ich, dass Menschen zu wenig wirklich miteinander sprechen, Dinge tatsächlich aushandeln und Bedürfnisse äußern.
Beispiele:
„Hey, du redest mir gerade zu viel.“
„Hey, ich hätte gerne, dass du mich selbstverständlich noch zum Orgasmus bringst, wenn du vor mir gekommen bist, und dass ich dich nicht darum bitten muss.“
„Hey, unterbrich mich nicht!“
„Ich liebe dich.“
„Kann mich jemand umarmen? Ich brauche das.“
Rückbezug:
Schweigen herrscht zwischen den Eheleuten.
Selbstbezug:
Ich habe reflektiert. Zerlegt und seziert. Einzelteile aufgespalten, Proben entnommen und analysiert.
Warum dann trotzdem immer wieder dieser Satz in meinem Kopf, wenn wir reden und doch nicht, wenn sich eine eigentümliche Ruhe zwischen uns geschlichen hat und die richtigen Worte uns (noch) nicht gefunden haben?
Versuch einer Neusondierung:
Stille zwischen zwei autonomen Subjekten.