Nachruf Julian Amankwaa
Ich nehme Abschied von meinem Autorenkollegen Julian Amankwaa.
Am Abend des 23. Mai 2017 trat er in Berlin durch Freitod aus dem Leben. Ich bin zutiefst betroffen von seinem Tod und auch von seiner Entscheidung aus dem Leben treten zu wollen.
Durch seine Texte und seine provokanten Thesen hat er mich immer wieder aufgerüttelt und angestoßen, meine Ansichten zu überdenken und hat überhaupt ein Reflektieren bei mir in Gang gesetzt, z.B. zu Rassismus in der Literatur, Critical Whiteness und zu grundsätzlichen Fragen in der Literatur wie „Was darf ich als Autorin schreiben und was nicht?“ und warum ich meine eigene Position beim Schreiben immer hinterfragen muss.
Seine literarischen Arbeiten setzen sich viel mit seinen politischen Vorstellungen auseinander. Er war jemand, der politisches Schreiben zur Agenda gemacht hatte. Jeder Text von ihm, der zum Beispiel am Literaturinstitut besprochen wurde, wo er seit 2015 studierte, war ein politischer.
Ich habe seit seinem Tod viel darüber nachgedacht, wie es ist, als einziger Schwarzer in einem dominant weißen Umfeld aufzuwachsen, sich einem enormen Druck ausgesetzt zu sehen und, sich im Literaturbetrieb behaupten zu müssen.
Wenn ich an Julian dachte, hab ich an ‘Zukunft’ gedacht. Vor kurzem wurde er Stipendiat bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft. Zuletzt war sein Plan, nach Berlin zu ziehen und dort an der Universität der Künste den Schwerpunkt Szenisches Schreiben fortzusetzen. Ich kannte ihn als einen sehr zukunftsorientierten Mensch. Einen, der nicht nur spricht, sondern handelt und auch andere zum Handeln animiert. Mit seiner politischen Arbeit im StudentInnen-Rat und der POC-Gruppe Leipzig hat er vielen Menschen geholfen und auch vielen Mut gemacht selbst in Aktion zu treten. Zu diesen Menschen zähle auch ich mich. Ich habe viel von ihm gelernt und hätte noch viel von ihm lernen können.
Mein Beileid gilt vor allem seiner Familie und seinen Freunden. Ich trauere um einen Freund und einen Kollegen, den ich sehr schätzte.
Dein politisches Engagement und deinen Mut werde ich nicht vergessen.
Özlem Özgül Dündar
PS im August 2017
Auch Julians Werk, das bisher nur verstreut veröffentlicht ist, soll nicht vergessen werden. Daher planen wir, nach Klärung der Rechte, in der PS #4 einen Text von ihm in Gänze abzudrucken.
Julian Amankwaas Werk zeichnet sich durch ein herausforderndes Spiel mit Fiktionalität und Faktizität aus. Der Gestus des Autobiografischen wird aufgenommen und wieder fallen gelassen, Leser_innen werden in die Irre geführt. Insbesondere, wenn sie versuchen, einschlägige „Messages“ oder klare Bezüge zur Biografie des Autors zu konstruieren – also die geläufige Lesehaltung von Feuilleton und Co. einzunehmen.
In der Erzählung „Viertel-Neger“¹ wird eine eindeutige Lesart in Bezug auf die Positionierung des Autors zu den Figuren bewusst offen gelassen. Im Erzählen von einer kollektiven Vergewaltigung lässt das konsequente Sprechen aus der wir-Perspektive keine Identifizierung der Täter zu. Leser_innen werden absichtlich nicht von der Darstellung der Brutalität „erlöst“, die Ausübung von Gewalt wird weder psychologisch noch sozial dekonstruiert oder erklärt, ein Happy-End wird durch das ungestrafte Davonkommen der Täter verunmöglicht.
In einem Interview mit „student!“ sagt² er über „Viertel-Neger“:
„Ich war ein Wochenende lang bei alten Freunden zu Besuch. Und wenn ich mit denen abhänge, will jeder von uns die krasseste Story erzählen. Danach bin ich vollgefüllt mit krassen Geschichten und die müssen wieder raus. Also habe ich den Text an einem Tag runtergeschrieben und dann hatte ich wieder Ruhe.“
¹ Amankwaa, Julian (2017): Viertel-Neger. In: Sauer, Lea u.a. (Hg.): Tippgemeinschaft 2017. Jahresanthologie der Studierenden des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung, S. 105-112.
² http://www.student-leipzig.de/2016/10/15/stil-interessiert-mich-nicht/ (2016)
PS August 2017
Auch Julians Werk, das bisher nur verstreut veröffentlicht ist, soll nicht vergessen werden. Daher planen wir, nach Klärung der Rechte, in der PS #4 einen Text von ihm in Gänze abzudrucken.
Julian Amankwaas Werk zeichnet sich durch ein herausforderndes Spiel mit Fiktionalität und Faktizität aus. Der Gestus des Autobiografischen wird aufgenommen und wieder fallen gelassen, Leser_innen werden in die Irre geführt. Insbesondere, wenn sie versuchen, einschlägige „Messages“ oder klare Bezüge zur Biografie des Autors zu konstruieren – also die geläufige Lesehaltung von Feuilleton und Co. einzunehmen.
In der Erzählung „Viertel-Neger“¹ wird eine eindeutige Lesart in Bezug auf die Positionierung des Autors zu den Figuren bewusst offen gelassen. Im Erzählen von einer kollektiven Vergewaltigung lässt das konsequente Sprechen aus der wir-Perspektive keine Identifizierung der Täter zu. Leser_innen werden absichtlich nicht von der Darstellung der Brutalität „erlöst“, die Ausübung von Gewalt wird weder psychologisch noch sozial dekonstruiert oder erklärt, ein Happy-End wird durch das ungestrafte Davonkommen der Täter verunmöglicht.
In einem Interview mit „student!“ sagt² er über „Viertel-Neger“:
„Ich war ein Wochenende lang bei alten Freunden zu Besuch. Und wenn ich mit denen abhänge, will jeder von uns die krasseste Story erzählen. Danach bin ich vollgefüllt mit krassen Geschichten und die müssen wieder raus. Also habe ich den Text an einem Tag runtergeschrieben und dann hatte ich wieder Ruhe.“
1 Amankwaa, Julian (2017): Viertel-Neger. In: Sauer, Lea u.a. (Hg.): Tippgemeinschaft 2017. Jahresanthologie der Studierenden des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Leipzig: Connewitzer Verlagsbuchhandlung, S. 105-112.
2 http://www.student-leipzig.de/2016/10/15/stil-interessiert-mich-nicht/ (2016)